Tod eines Haderlumpen

 

„Wann war das?“, wollte er wissen.

„Vor ned ganz zwei Wochen.“

„Und da rufst du mich jetzt erst an?“

„Na ja, es hat nicht so schlimm für Sabine ausg’schaut. Keiner hat sie wirklich verdächtigt.“ Rolf blickte etwas betreten drein. „Außerdem hat mir die Sabine verboten, dir Bescheid zum sagen. Aber jetzt muss was passiert sein, was die Sabine arg in die Zwickmühl bringt.“

„Und was?“

„Woaß i ned. Sie müss’n ebbs g’funden haben, das d‘ Sabine belastet. Jedenfalls ist sie jetzt die Hauptverdächtige. Außerdem nimmt sie sich das alles furchtbar zu Herz’n“, fuhr Rolf fort. „Macht sich zum einen Vorwürf und wartet zum ander’n drauf, dass sie einer schief anschaut. Zum Glück hat die Presse noch nix von dem Verdacht mit’kriegt. Aber des is bloß a Frage der Zeit.“

Quirin gab ihm recht. Irgendwann sickerte der Verdacht durch, und dann begann für Sabine ein Spießrutenlaufen. Ob wirklich was dran war, war egal. Dass Tressler womöglich ein pädophiler Mörder war, war dabei ganz unerheblich. Argwohn war immer parteiisch.

„Wer ermittelt denn in dem Fall?“, wollte er wissen.

„Ich ned. Bin ja mit ihr befreundet und damit befangen. Sie hab‘n extra einen aus Regensburg kommen lassen. So ein aalglatter Besserwisser. Fritz Ellwenger heißt der. Die Christel assistiert ihm. Des geht, weil sie die Sabine praktisch nicht privat kennt.“

„Und was sagt Christel dazu?“

„Die druckst rum. Wenn du mich fragst, weiß sie ned so recht, wie sie damit umgeh‘n soll. Am liabsten hätt‘ sie abg‘lehnt. Aber der Schröder hat ihr zug‘redt. Der ist ja auch recht in der Zwickmühl‘. Er weiß, dass es die Sabine ned g‘wesen ist, aber er ist der Chef, und Vorschrift ist Vorschrift.“

„Blöde Sache, klar.“ Quirin drehte sein nun leeres Schnapsglas zwischen den Fingern.

„Mir können doch ned rumsitz‘n und zuschau‘n.“ Rolf schaute seinen Freund und Kollegen an, als erwarte er eine zündende Idee von ihm.

„Natürlich können wir das nicht.“ Quirin stellte das Glas entschieden auf den Tisch. „Ich werde mich mal mit Sabine unterhalten. Und wir müssen mit Christel reden. Dann sehen wir weiter.“

„Denkst du, die Christel macht da mit?“, fragte Rolf skeptisch. „Mir wollte sie jedenfalls nichts sagen. Und wenn sie dem Ellwenger was steckt ...“

„Wird sie nicht. Da bin ich ganz sicher. Außerdem ist sie uns was schuldig.“

„Hm. Na ja, stimmt schon. Vielleicht hätt ich sie dran erinnern sollen … ich war ja schließlich auch dabei.“

Quirin grinste. Er hatte vor ein paar Monaten mit Christel zusammengearbeitet. Damals hatten Rolf und er ihr so nebenbei auch aus einer ziemlich unangenehmen Situation geholfen und nie etwas darüber verlauten lassen. Aber auch ohne diesen Hintergrund war Quirin sicher, dass sie behilflich sein würde. Er hatte sie als ein wenig übereifrig kennengelernt, aber auch als zuverlässig und mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Sie würde helfen – vielleicht mit einem flauen Gefühl im Magen, aber trotzdem.

„Kannst du mit Christel was ausmachen – ohne dass der … wie heißt er gleich wieder?“

„Ellwenger.“

„Ohne dass der Ellwenger was davon mitbekommt? Sag ihr, ich möchte sie sehen. Wir müssen uns so treffen, dass es nicht auffällt. Offiziell bin ich ja noch in Tuttlingen, und vielleicht sollte das für’s Erste so bleiben.“

„Versuchen kann ich‘s ja mal.“

„Gut. Ruf mich an, wenn es geklappt hat. Ich werde mich derweil mit Sabine unterhalten. Die ist vermutlich freigestellt?“

„Logo.“

„Gut.“ Quirin nahm einen Schluck Kaffee und probierte den Kuchen. Zu seinem eigenen Erstaunen stellte er fest, dass er Hunger hatte. Und der Gugelhupf war ausgezeichnet.