„Was macht sie denn da?“, fragte Lumiggl
„Sie redet mit einem Busch.“
„Sie redet mit einem Busch? Gibt er ihr auch Antwort?“
„Woher soll ich das wissen? Lass uns nachsehen“, schlug Floritzl vor und flatterte auch schon davon. Lumiggl erhob sich und trabte hinterher.
Als sie Tilly erreichten, drehte die sich strahlend zu ihnen um.
„Ich wusste doch, dass ich hier eine finde!“ Sie deutete auf eine Spinne, die auf einem Ast saß.
„Wirklich toll“, meinte Lumiggl trocken. „Du hast diese Art bestimmt schon lange gesucht. Aber, sollten wir nicht eigentlich...“
„Sie wird uns helfen“, unterbrach Tilly ihn.
„Klasse!“, rief Floritzl enthusiastisch. „Nur der Form halber: wobei?“
„Beim Weben!“
„Ach ja, wie konnte ich das vergessen.“ Floritzl warf Lumiggl einen vielsagenden Blick zu. Der beachtete ihn aber nicht, sondern wandte sich zunehmend lebhafter an Tilly: „Beim großen Gerstenkorn und seiner Hülse! Du meinst, die Blumen...“
Tilly nickte eifrig.
Floritzl sah vom einem zum anderen und wieder zurück. Er verstand überhaupt nichts.
„Wir werden die Hummeln fragen, wie viele und welche...“ sprudelte Tilly weiter.
„Welche Hummeln?“, wollte Floritzl wissen.
„Und dann weben wir ein Muster, was ganz Originelles, vielleicht ein Herz“, stimmte Lumiggl zu, „und dann...“
„Welche Hummeln?“, fragte Floritzl.
„Oh, es wird ganz zauberhaft werden!“
„Was?“, schrie da Floritzl. „Könnte mir mal einer erklären, worum es hier geht?“
Verärgert stemmte der Elf die Hände in die Seiten und seine Flügel zitterten.
„Verzeiht, wenn ich euch störe“, maulte er. „Es liegt wahrscheinlich daran, dass ich zu blöd bin, und ich bin ja auch nur versehentlich hier und eigentlich gar keine Hilfe...“
„Also genau genommen...“, begann Lumiggl, doch Tilly ging dazwischen. „Du hast natürlich Recht“, wandte sie sich besänftigend an Floritzl. „Also, wir haben nur überlegt, dass es eine hübsche Idee wäre, einen Teppich aus Blumen zu weben.“
„Ich könnte ihn Milvola zu Füßen legen“, fuhr Lumiggl eifrig fort, „oder das Dach damit schmücken, oder sie darin einhüllen – nein, das wäre für das erste Mal wohl zu vertraulich. Aber vor ihr ausbreiten, das wäre toll!“
„Na, dann los!“, rief Floritzl schon wieder gut gelaunt. „Wo ist die nächste Hummel, wozu auch immer die gut sind?“
Als sie den Rand der Blumenwiese erreicht hatten, sahen sie sich nach einer Hummel um, die ihnen vielleicht weiterhelfen konnte. Es waren auch mehrere da, aber keine beachtete die drei. Staunend betrachtete Lumiggl diese Insekten. An ihrem Hinterteil hatten sie alle einen weißen Streifen. Gelegentlich gab es auch welche, die zusätzlich auch noch einen gelben Streifen hatten. Lumiggl war noch ganz in Gedanken versunken, als eine Hummel ihn ansprach: „Kann ich dir irgendwie helfen?“
„Wir wollten ein paar Blumen pflücken“, antwortete Lumiggl verdutzt.
„Wir wollten um die Erlaubnis bitten, einige Blumen zu pflücken“, verbesserte Floritzl diplomatisch.
„Er“, Tilly stieß Lumiggl an, „möchte das Herz einer Womblinga gewinnen.“
Die Spinne, die in Tillys Grashaaren saß, enthielt sich jeden Kommentars.
„In Herzensdingen liegst du mit unseren Blumen genau richtig!“, brummste die Hummel stolz. „Soll es ein Bukett sein?“
„Nein, ein Teppich.“
„Was? Was glaubt ihr denn, wie viele Blumen dazu nötig sind? Ihr wollt wohl die ganze Wiese plündern!“ Die Hummel war jetzt sichtlich verärgert.
„Neinnein“, beeilte sich Tilly zu erklären, „es soll mehr ein symbolhafter Teppich sein. Und wir nehmen vor allem Blätter, verstehst du, Blätter. Dann kommen die Blüten sowieso viel besser zur Geltung, gell?“
„Was soll das heißen, symbolhaft, ich will ihn doch Milvola zu Füßen legen...“, mischte sich da Lumiggl ein.
„Na eben“, presste Tilly zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und stieß ihn schmerzhaft in die Rippen, „sym-bo-lisch.“
„A-a-aber natürlich, symbolisch. Und was hab ich gesagt? Hab ich was anderes gesagt? Nein – ja“, nickte der Wombling, der endlich begriffen hatte, „also symbolisch, ein symbolischer Teppich, als Symbol, äh, meiner Liebe, äh, und der ganzen Welt, die ich, äh, ihr zu Füßen lege...“ er lächelte die Hummel möglichst unschuldig an.
„Nun ja, wenn das so ist...“, meinte die Hummel, immer noch leise zweifelnd.
Die drei Freunde strahlten sie an, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Die Spinne rollte die Augen und zog sich wieder zurück in Tillys Haargestrüpp. Sie musste ja nicht alles mitkriegen. Und ohne sie konnte ja doch keiner anfangen.
„Na gut“, brummte die Hummel besänftigt, „kommt mal mit. Da drüben ist, glaube ich, eine Stelle, die sowieso etwas ausgedünnt werden muss, damit die nachfolgenden Blüten Sonne abbekommen. Am besten, ich schau mal auf den Plan.“
Sie folgten der Hummel, die in leicht taumelnden Flug voran eilte.
„So, hier ist es“, erklärte sie schließlich, als sie vor einem riesigen Plan angekommen waren, der – auf ein Stück Rinde gezeichnet – am Rand der Wiese aufgestellt war. Die Hummel wies mit ihrem rechten Vorderbein auf eine Ecke des verzeichneten Gebietes.
„Wollen Sie etwa jemanden dort hinschicken?“, mischte sich eine vorbeifliegende Hummel ein und landete. „Das geht nicht! Da habe ich gerade einem Erdzwerg Zutritt gewährt, der den Hochzeitstag mit seiner Frau würdig begehen will.“
„Und warum weiß ich davon nichts?“, beschwerte sich die erste Hummel. „Das ist ja unerhört!“
„Das Rundschreiben ist schon längst raus. Entweder ist es noch irgendwo unterwegs. Oder es wurde mal wieder nicht gelesen“, verteidigte sich die andere Hummel. „Also mehr, als ein Rundschreiben aufzugeben, kann ich nun wirklich nicht tun. Ich kann doch nicht noch überwachen, ob es auch alle erreicht. Soll ich etwa jeden hinterher fragen, ob er auch mein Rundschreiben bekommen hat? Dafür bin ich nicht zuständig!“
„Ja, ja, das sagen alle. Die Jugend heutzutage!“, schimpfte die erste Hummel, die offensichtlich die ältere war. „Zu meiner Zeit hat man sich noch bemüht, jedem persönlich Bescheid zu geben. Rundschreiben, dass ich nicht lache! Und damit, denken die, alles sei erledigt. Keine Sorgfalt mehr, kein Verantwortungsbewusstsein!“
„Und vor lauter Bescheidsagen ist man gar nicht mehr zum Arbeiten gekommen“, wagte es die jüngere einzuwerfen. „Die Rundschreiben sind schon ganz gut – man muss sie nur lesen!“
„Ich habe kein Rundschreiben erhalten!“, protestierte die erste Hummel. „Ist ja auch kein Wunder. Ich erfahre doch immer alles als Letzte! Kein Respekt mehr vor dem Alter!“
Die jüngere Hummel schwieg. Offensichtlich hatte sie bereits einschlägige Erfahrungen mit ihrer Kollegin.
Schließlich räusperte sich die ältere Hummel und wandte sich wieder dem Plan zu: „Also gut, dann wollen wir mal sehen. Hmm hmm hmm. Und was ist damit?“
„Ich glaube, die hat ein Kollege an zwei Womblingkinder vergeben, die ihre Mutter...“
„Kann denn niemand diesen Plan auf den neuesten Stand bringen?“, zeterte die erste Hummel, wobei sie auf und ab taumelte. „Muss man denn hier alles allein machen!“
„Ich glaube, diese Stelle ist noch frei!“ Die jüngere Hummel zeigte auf eine andere Stelle auf dem Plan.
„Da wachsen doch die Gänseblümchen!“, widersprach die erste Hummel, „die haben viel zu kurze Stiele...“
„Die wachsen dort – das wusste ich gar nicht...“ wunderte sich die andere.
„Ihr habt hier Gänseblümchen? Aber die wachsen doch überall!“, staunte Floritzl.
Beide Hummeln wandten sich gleichzeitig um und bedachten den Elf mit einem dermaßen eisig durchbohrenden Blick, dass der zurückwich, sich auf die Zunge biss und sich schwor, nie mehr nichts mehr zu sagen. Jedenfalls nicht so bald.
„NOCH treten sie häufig auf, ja“, belehrte ihn die ältere Hummel schließlich. „NOCH! Aber wenn die Blumenpflückerei so verantwortungslos und unkontrolliert weitergeht, wird das bald anders sein. Deshalb haben wir auch das Gänseblümchen in unserer Sammlung...“
Floritzl nickte stumm und zupfte a Saum seines Hemdes herum.
„Eigentlich wollte ich ja eine besondere Blume für Milvola“, wandte Lumiggl schüchtern ein, „und da die Gänseblümchen ja im Moment noch eher gewöhnlich sind...“
„Im Moment, du sagst es“, stimmte die Hummel zu, „nun gut, in Herzensdingen... ach ja, da ist eine Stelle – genau das Richtige“, sie wandte sich ihrer Kollegin zu, „oder gibt es da auch irgendwelche Einwendungen?“, herrschte sie sie an.
„Nicht dass ich wüsste“, meinte die.
„Wie beruhigend“, spöttelte die ältere Hummel. „Dann können Sie unsere Gäste ja sicher auch auf dem kürzesten Weg hinbringen. Und von euch“, wandte sie sich an die drei Freunde, „darf ich mich verabschieden. Bitte zu beachten, dass den Anweisungen meiner Kollegin strikt Folge zu leisten ist. Für Rückfragen steht sie natürlich jederzeit zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen.“
Sie nickte noch kurz allen zu und flog dann schwankend davon.
„Ich glaube, die Verwaltung wird langsam zuviel für sie“, murmelte die zurückgebliebene Hummel, während sie ihrer Kollegin nachsah. „Sie ist schon seit Jahren hier. Früher war sie eine echte Konifere, äh, Koryphäe – niemand konnte ihr eine Margerite für eine Kamille vormachen. Aber die Zeit ging eben auch an ihr nicht spurlos vorüber. Allmählich sollte sie sich in den Innendienst zurückziehen, um unser Blumenalphabet neu zu erfassen oder so.“
Sie schüttelte bedauernd den Kopf. Dann aber besann sie sich auf ihre Pflicht und wandte sich an die drei Freunde und die Spinne: „Bitte folgt mir.“
Sie kamen schließlich an den Rand der Wiese zu einer Stelle, wo üppige Blumen in Rosa und Weiß blühten.
„Wozu braucht ihr sie denn?“, fragte die Hummel.
„Für einen Teppich – äh, oder besser für das Symbol eines Teppichs“, erläuterte Floritzl.
„Sozusagen ein kleiner Teppich als Symbol für einen großen!“, mischte sich Tilly schnell ein.
„Ein symbolischer Teppich“, beeilte sich auch Lumiggl zu versichern, „mit einem Herz drauf.“
„Einem Herz?“, wunderte sich die Hummel.
„Nur symbolisch!“ versicherte Tilly.
Die Spinne zog es vor, nichts zu sagen.
„Es ist für den Geburtstag seiner Liebsten“, wechselte Floritzl die Taktik und zeigte auf Lumiggl, „ein Symbol seiner Liebe.“
Damit konnte die Hummel weitaus eher etwas anfangen.
„Ah, für den Geburtstag der Liebsten!“, rief sie begeistert. „Ich verstehe, ich verstehe. Das ist ja so romantisch! Als ob ich’s gewusst hätte. Dann sind das hier auf jeden Fall die passenden Farben. Frauen mit Geschmack lieben Sträuße in Pastellfarben, die Ton in Ton harmonieren. Das wird sicher ganz entzückend.“
Dann wandte sie sich direkt an Lumiggl: „Du bist also letzten Endes der Urheber und trägst also die Verantwortung. Ich gestatte dir, fünfzehn der voll erblühten zu nehmen. Aber keine Knospen! Ich muss Dich darauf hinweisen, dass eine Zuwiderhandlung eine schwere Strafe in Form von Sozialarbeit bei der Mistkäferbrigade zur Folge hat, deren Dauer sich nach der Höhe des Verstoßes richtet. Dein Name und Deine Adresse bitte?“
Lumiggl stotterte verdattert die gewünschten Informationen und die Hummel notierte eifrig seine Angaben. Dann kritzelte sich noch etwas auf ein kleines Blättchen, von denen sie etliche bei sich trug.
„Hier, das ist dann die Erlaubnis über fünfzehn Blüten und angemessene Beipflückung von Grünzeug. Nur für den Fall, dass ihr von einer Kollegin kontrolliert werden solltet. Damit sind die Formalien erledigt, und ich darf noch einmal an die strikte Einhaltung aller Auflagen erinnern. Ich wünsche noch einen schönen Tag und gutes Gelingen.“ Die Hummel nickte und flog davon.
„Puh“, atmete Lumiggl auf. Bei all diesen Anweisungen war ihm ganz schwindelig geworden. Tilly aber begutachtete bereits mit Feuereifer die Blumen. Da ihr niemand – nicht mal die Spinne – absprach, dass sie meiste Ahnung von Blumen hatte, begaben sich Elf und Wombling brav zu den von Tilly bezeichneten Blüten und brachen sie so weit unten ab wie möglich. Lumiggl zählte außerdem sorgfältig mit. Er hatte nur eine verschwommene Vorstellung davon, was die Mistkäferbrigade war, aber die genügte, um sicher zu wissen, dass er auf keinen Fall mit der Brigade zu tun haben wollte. Die Spinne saß derweil im Haar des Moosmädchens und schaute zu.
„So, und die Blumen bringen wir jetzt in den Schatten an den Rand“, entschied Tilly, als die fünfzehnte Blüte ausgewählt und gepflückt war. „Jetzt kommt unser Spinnchen zum Zuge.“
Spinnchen? So klein war sie nun wirklich nicht, widersprach die Spinne ganz für sich.
Ganz behutsam wurden die Blumen in den Schatten getragen.
„Schön, gell?“, schwärmte Tilly, „Und jetzt noch Gräser, Blätter, Farne, Moose.“ Und alle ihre anderen Lieblinge. „Damit es auch nach was aussieht.“
Sie blieb bei den Blüten und bewachte sie, sortierte, was ihr Floritzl und Lumiggl brachten, auf verschiedene Haufen, sann vor sich hin und verkündete schließlich: „Das langt, langt lang. Ihr könnt aufhören.“
„Aaah, danke, ich bin schon ganz geschafft.“
„Reicht es auch wirklich? Nicht dass ich dir nicht glaube, aber der Teppich ist für Milvola, und je später es wird, desto mehr muss er hermachen.“
„Aber ja, aber ja, aber ja, nur keine Bange, lass mich nur machen.“
Die Spinne kletterte in das erste Stockwerk des Baumes, ließ sich wieder herabfallen und spann so die ersten Fäden, webte das Grundgerüst des zukünftigen, sozusagen symbolischen Teppichs. Als die Spinne so weit war, reichte ihr Tilly Blätter, Blüten und andere Pflanzenteie hinauf. Kein Wort fiel zwischen den beiden, nur ab und zu ein fragender Blick, eine Falte auf Tillys Stirn, ein zustimmendes Nicken oder auch nicht. Sie verstanden sich, wussten, was zu tun war, und langsam nahm der Teppich Gestalt an – ein grünbuntes Meisterwerk, von schimmernden Seidenfäden zusammengehalten und natürlich mit einem Herz in der Mitte.
„Soll ich ein wenig Flöte dazu spielen?“, schlug Floritzl vor, aber Tilly bedeutete ihm, dass das nur stören würde. Na dann eben nicht! Er zuckte mit den Achseln und ließ seine Flöte im Gürtel stecken. Wen hätte seine Musik je gestört! Ganz schön zickig, diese Floristen.
Und endlich war es so weit: Die Spinne kletterte vom Baum herunter, setzte sich auf Tillys Schulter und prüfte – mit ebenso schief gelegtem Kopf wie das Moosweibchen – das gemeinsame Werk. Anscheinend war es zu beider Wohlgefallen geraten, und so kletterte sie um den Teppich herum und löste die Haltefäden. Tilly nahm den Teppich in Empfang und breitete ihn vor Floritzl und Lumiggl aus: „Na?“
„Der ist ja wunderschön!“, rief Lumiggl begeistert.
„Ja, ja, er ist uns beiden, glaube ich, ganz gut gelungen.“ Tilly errötete vor Freude und die Spinne kratzte sich geschmeichelt am Kopf.
„Gut gelungen? Das ist großartig, das ist...“
„Aber das Beste habt ihr ja noch gar nicht gesehen.“
„Das Beste?“
„Ja, das Beste. Nur noch ein bisschen Geduld. Armer Lumiggl! Ja, ja, ich weiß, du möchtest jetzt nix wie los, aber warte nur noch... da, seht ihr?“
„Was?“
„Da! Der Teppich.“
„Das gibt's doch gar nicht.“
„Gibt es doch, meine Freunde, und das war meine Überraschung.“
Und wirklich, die war Tilly gelungen: Wie von Zauberhand gehoben schwebte der Teppich einige Handbreit über dem Boden und wiegte sich im Wind.
„Und wie geht das?“
„Ja, das ist Spinnchens Werk. Wenn man ihm gut zuredet und es gerade dazu aufgelegt ist und jemandem wohlgesonnen, wenn Mond und Sonne richtig stehen, das Wetter stimmt und Spinnchen will, dann kann es solche Fäden spinnen, die alles, was man in sie hinein verwebt, so leicht machen wie ein Spinnennetz.“
Floritzl hatte sich unterdessen herangewagt, strich mit seiner Hand unter und über den schwebenden Teppich.
„Kein Trick? Kein doppelter Boden?“, vergewisserte er sich.
„Aber nein, aber nein, was denkst du? Und was noch besser ist: Alles und jeder, der sich auf den Teppich setzt, wird genauso leicht.“
„Das glaub ich nicht.“
„Doch, doch, probier es ruhig mal aus! Setz dich ruhig einmal auf den Teppich.“
„Lass das, Floritzl, du machst ihn nur kaputt!“
„Aber bitte, Freund Lumiggl, bitte, ich lasse dir natürlich den Vortritt. Wie schweben geht, das weiß ich sowieso, wozu hab ich schließlich meine Flügel.“
„Äh... Soll ich wirklich?“
„Ja, ja, mach ruhig.“
„Siehst du, Tilly, er traut sich nicht.“
„Ich trau mich wohl! Aber mach ich auch ganz bestimmt nichts kaputt?“
„Nein, nein.“
Und so hievte sich Lumiggl vorsichtig auf den Teppich, die Hände über den Rand, dann ein Bein nach dem anderen, legte sich erst flach hin, noch skeptisch genug, aber endlich richtete er sich doch auf und setzte sich, schaute in die Runde.
„Schwebt der Teppich noch?“
„Aber sicher.“
„Na, wird es dir nicht schon schlecht in zwei Fuß Höhe?“
„Lass ihn in Ruhe, Floritzl.“
„Das ist ja sagenhaft. Und wie lange hält das?“
„Das kommt darauf an.“
„Und worauf?“
Ein Windstoß fuhr unter den Teppich und wehte ihn höher.
„Was ist jetzt los? Hilfe!“
„Um Gerstenkornswillen. Halt dich fest Lumiggl, Floritzl, du musst den Teppich packen und festhalten. Mach schnell!“
„Jetzt braucht man mich wieder.“
„Schnell, Floritzl, mach schnell, bevor noch ein Windstoß kommt.“
Floritzl flatterte los, dem Teppich und Lumiggl hinterher. Die beiden hatten schon eine beachtliche Höhe erreicht, als er den Teppich zu packen bekam.
„Ha, hab ich dich, du Ausreißer.“
„Floritzl, hilf mir, ich bin nicht schwindelfrei.“
„Keine Bange, bald sind wir wieder unten. Äh, oder auch nicht. Tilly! Ich krieg ihn nicht runter.“
„Oje, oje, oje.“
„Tilly!! Was soll ich jetzt tun?“
Da traf sie der nächste Windstoß und trieb sie noch höher.
„Wenn ihr an einen Baum kommt, musst du einen Ast packen und dich daran festhalten.“
„Das geht nicht, wir sind schon zu hoch. Wir sind schon zu hoch.“
„Oje, oje, oje, was mach ich nur, was mach ich nur.“
„Tilly, sag was, was soll ich tun?“
„Er muss den Wombling retten“, entschied die Spinne.
„Ach, Spinnchen, und die ganze Arbeit umsonst? Aber du hast recht. Floritzl, hörst du, du musst Lumiggl retten., Nimm ihn auf deine Schultern und bring ihn mit herunter.“
„Hast du gehört Lumiggl? Lumiggl?“
„Ja, ich hab es gehört!“
„Komm schon, steig auf meine Schultern, ich bring dich heil nach unten.“
„Nein, nein, nein. Niemals. Das ist mein Geschenk. Ich lasse nicht los.“
„Mach keinen Unfug, Lumiggl, du wirst dir den Hals brechen.“ Floritzl zog sich auf den Teppich hinauf. Hier fand er den Kobold, der sich flach hingelegt hatte und die Hände in den Teppich krallte.
„Tilly, er will nicht loslassen.“
„Aber er muss, er kann sich nicht ewig festhalten! Irgendwann lässt die Wirkung nach! Er wird sich noch den Hals brechen. Lumiggl, mach keine Dummheiten und komm mit Floritzl herunter.“
„Nein, nein, nein.“
Über der Talsenke und ungehindert von irgendwelchen Bäumen frischte der Wind auf und trieb sie immer weiter fort und höher hinauf.
„Hör auf damit, Lumiggl, kapierst du nicht, du musst hier runter. Was hat Milvola von deinem Geschenk, wenn du vorher abstürzt?“ Floritzl zog den Wombling brutal an Kragen und Haaren, was, da Lumiggl massiger und schwerer war als der zierliche Elf, praktisch keine Wirkung hatte. „Nimm endlich Vernunft an, zum Gerstenkorn.“
„Also gut – aber ich bin nicht schwindelfrei.“
„Lass die Augen zu, und ich bring dich nach unten, wie hoch sind wir eigentlich schon? Oh, oh, lass die Augen zu und bleib, wo du bist.“
„Wieso? Was ist?“
Floritzl hatte einen Blick über den Rand des Teppichs gewagt: Sie waren schon viel zu hoch, selbst für ihn. Und dann noch mit einem Wombling huckepack. Das würde seine Flügel in Fetzen reißen.
„Bleib da. Und mach etwas Platz, ich muss mich festhalten.“
„Was ist denn los?“
„Was los ist? Ich werde dir sagen, was los ist. Du sturer Bock, du wolltest ja unbedingt nicht loslassen. Und das hast du jetzt davon. Wir sind schon viel zu hoch, das ist los. Mach Platz!“
„Und was sollen wir jetzt tun?“
„Festhalten. Abwarten. Hoffen, dass wir irgendwann wieder nach unten kommen. Und dann nicht zu hart landen. Mach endlich Platz!“
Und unten am Rande der Blumenwiese stand Tilly und schaute gebannt dem Blumenteppich hinterher, wie er immer höher stieg und weiter getrieben wurde, immer weiter, bis er schließlich nicht mehr zu sehen war
„Das ist zu hoch, das ist viel zu hoch, das schaffen sie nicht mehr. Oje, oje, oje, und an allem bin ich schuld“, sie raufte sich die Haare und lief im Kreis herum, zertrampelte die Blumen und merkte nichts davon. „Ich bin schuld, ich bin schuld, das ist alles meine Schuld. Nur weil ich sie überraschen wollte mit dem schwebenden Teppich, habe ich den Haltefaden vergessen, nur weil ich zu eingebildet war auf meinen tollen Einfall und auf deine Arbeit, Spinnchen. Spinnchen? Was haben wir nur getan. Das werd ich mir nie verzeihen. Oje, oje, oje, was sollen wir nur tun? Spinnchen, was bin ich doch für ein dummes, eitles, schusseliges Weibchen. Es ist alles meine Schuld, ganz allein.“
Und Spinnchen versuchte sie zu trösten, aber Tilly war untröstlich. Na ja, nicht völlig untröstlich. Aber dazu kommen wir ein andermal.
„Sie redet mit einem Busch.“
„Sie redet mit einem Busch? Gibt er ihr auch Antwort?“
„Woher soll ich das wissen? Lass uns nachsehen“, schlug Floritzl vor und flatterte auch schon davon. Lumiggl erhob sich und trabte hinterher.
Als sie Tilly erreichten, drehte die sich strahlend zu ihnen um.
„Ich wusste doch, dass ich hier eine finde!“ Sie deutete auf eine Spinne, die auf einem Ast saß.
„Wirklich toll“, meinte Lumiggl trocken. „Du hast diese Art bestimmt schon lange gesucht. Aber, sollten wir nicht eigentlich...“
„Sie wird uns helfen“, unterbrach Tilly ihn.
„Klasse!“, rief Floritzl enthusiastisch. „Nur der Form halber: wobei?“
„Beim Weben!“
„Ach ja, wie konnte ich das vergessen.“ Floritzl warf Lumiggl einen vielsagenden Blick zu. Der beachtete ihn aber nicht, sondern wandte sich zunehmend lebhafter an Tilly: „Beim großen Gerstenkorn und seiner Hülse! Du meinst, die Blumen...“
Tilly nickte eifrig.
Floritzl sah vom einem zum anderen und wieder zurück. Er verstand überhaupt nichts.
„Wir werden die Hummeln fragen, wie viele und welche...“ sprudelte Tilly weiter.
„Welche Hummeln?“, wollte Floritzl wissen.
„Und dann weben wir ein Muster, was ganz Originelles, vielleicht ein Herz“, stimmte Lumiggl zu, „und dann...“
„Welche Hummeln?“, fragte Floritzl.
„Oh, es wird ganz zauberhaft werden!“
„Was?“, schrie da Floritzl. „Könnte mir mal einer erklären, worum es hier geht?“
Verärgert stemmte der Elf die Hände in die Seiten und seine Flügel zitterten.
„Verzeiht, wenn ich euch störe“, maulte er. „Es liegt wahrscheinlich daran, dass ich zu blöd bin, und ich bin ja auch nur versehentlich hier und eigentlich gar keine Hilfe...“
„Also genau genommen...“, begann Lumiggl, doch Tilly ging dazwischen. „Du hast natürlich Recht“, wandte sie sich besänftigend an Floritzl. „Also, wir haben nur überlegt, dass es eine hübsche Idee wäre, einen Teppich aus Blumen zu weben.“
„Ich könnte ihn Milvola zu Füßen legen“, fuhr Lumiggl eifrig fort, „oder das Dach damit schmücken, oder sie darin einhüllen – nein, das wäre für das erste Mal wohl zu vertraulich. Aber vor ihr ausbreiten, das wäre toll!“
„Na, dann los!“, rief Floritzl schon wieder gut gelaunt. „Wo ist die nächste Hummel, wozu auch immer die gut sind?“
Als sie den Rand der Blumenwiese erreicht hatten, sahen sie sich nach einer Hummel um, die ihnen vielleicht weiterhelfen konnte. Es waren auch mehrere da, aber keine beachtete die drei. Staunend betrachtete Lumiggl diese Insekten. An ihrem Hinterteil hatten sie alle einen weißen Streifen. Gelegentlich gab es auch welche, die zusätzlich auch noch einen gelben Streifen hatten. Lumiggl war noch ganz in Gedanken versunken, als eine Hummel ihn ansprach: „Kann ich dir irgendwie helfen?“
„Wir wollten ein paar Blumen pflücken“, antwortete Lumiggl verdutzt.
„Wir wollten um die Erlaubnis bitten, einige Blumen zu pflücken“, verbesserte Floritzl diplomatisch.
„Er“, Tilly stieß Lumiggl an, „möchte das Herz einer Womblinga gewinnen.“
Die Spinne, die in Tillys Grashaaren saß, enthielt sich jeden Kommentars.
„In Herzensdingen liegst du mit unseren Blumen genau richtig!“, brummste die Hummel stolz. „Soll es ein Bukett sein?“
„Nein, ein Teppich.“
„Was? Was glaubt ihr denn, wie viele Blumen dazu nötig sind? Ihr wollt wohl die ganze Wiese plündern!“ Die Hummel war jetzt sichtlich verärgert.
„Neinnein“, beeilte sich Tilly zu erklären, „es soll mehr ein symbolhafter Teppich sein. Und wir nehmen vor allem Blätter, verstehst du, Blätter. Dann kommen die Blüten sowieso viel besser zur Geltung, gell?“
„Was soll das heißen, symbolhaft, ich will ihn doch Milvola zu Füßen legen...“, mischte sich da Lumiggl ein.
„Na eben“, presste Tilly zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und stieß ihn schmerzhaft in die Rippen, „sym-bo-lisch.“
„A-a-aber natürlich, symbolisch. Und was hab ich gesagt? Hab ich was anderes gesagt? Nein – ja“, nickte der Wombling, der endlich begriffen hatte, „also symbolisch, ein symbolischer Teppich, als Symbol, äh, meiner Liebe, äh, und der ganzen Welt, die ich, äh, ihr zu Füßen lege...“ er lächelte die Hummel möglichst unschuldig an.
„Nun ja, wenn das so ist...“, meinte die Hummel, immer noch leise zweifelnd.
Die drei Freunde strahlten sie an, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Die Spinne rollte die Augen und zog sich wieder zurück in Tillys Haargestrüpp. Sie musste ja nicht alles mitkriegen. Und ohne sie konnte ja doch keiner anfangen.
„Na gut“, brummte die Hummel besänftigt, „kommt mal mit. Da drüben ist, glaube ich, eine Stelle, die sowieso etwas ausgedünnt werden muss, damit die nachfolgenden Blüten Sonne abbekommen. Am besten, ich schau mal auf den Plan.“
Sie folgten der Hummel, die in leicht taumelnden Flug voran eilte.
„So, hier ist es“, erklärte sie schließlich, als sie vor einem riesigen Plan angekommen waren, der – auf ein Stück Rinde gezeichnet – am Rand der Wiese aufgestellt war. Die Hummel wies mit ihrem rechten Vorderbein auf eine Ecke des verzeichneten Gebietes.
„Wollen Sie etwa jemanden dort hinschicken?“, mischte sich eine vorbeifliegende Hummel ein und landete. „Das geht nicht! Da habe ich gerade einem Erdzwerg Zutritt gewährt, der den Hochzeitstag mit seiner Frau würdig begehen will.“
„Und warum weiß ich davon nichts?“, beschwerte sich die erste Hummel. „Das ist ja unerhört!“
„Das Rundschreiben ist schon längst raus. Entweder ist es noch irgendwo unterwegs. Oder es wurde mal wieder nicht gelesen“, verteidigte sich die andere Hummel. „Also mehr, als ein Rundschreiben aufzugeben, kann ich nun wirklich nicht tun. Ich kann doch nicht noch überwachen, ob es auch alle erreicht. Soll ich etwa jeden hinterher fragen, ob er auch mein Rundschreiben bekommen hat? Dafür bin ich nicht zuständig!“
„Ja, ja, das sagen alle. Die Jugend heutzutage!“, schimpfte die erste Hummel, die offensichtlich die ältere war. „Zu meiner Zeit hat man sich noch bemüht, jedem persönlich Bescheid zu geben. Rundschreiben, dass ich nicht lache! Und damit, denken die, alles sei erledigt. Keine Sorgfalt mehr, kein Verantwortungsbewusstsein!“
„Und vor lauter Bescheidsagen ist man gar nicht mehr zum Arbeiten gekommen“, wagte es die jüngere einzuwerfen. „Die Rundschreiben sind schon ganz gut – man muss sie nur lesen!“
„Ich habe kein Rundschreiben erhalten!“, protestierte die erste Hummel. „Ist ja auch kein Wunder. Ich erfahre doch immer alles als Letzte! Kein Respekt mehr vor dem Alter!“
Die jüngere Hummel schwieg. Offensichtlich hatte sie bereits einschlägige Erfahrungen mit ihrer Kollegin.
Schließlich räusperte sich die ältere Hummel und wandte sich wieder dem Plan zu: „Also gut, dann wollen wir mal sehen. Hmm hmm hmm. Und was ist damit?“
„Ich glaube, die hat ein Kollege an zwei Womblingkinder vergeben, die ihre Mutter...“
„Kann denn niemand diesen Plan auf den neuesten Stand bringen?“, zeterte die erste Hummel, wobei sie auf und ab taumelte. „Muss man denn hier alles allein machen!“
„Ich glaube, diese Stelle ist noch frei!“ Die jüngere Hummel zeigte auf eine andere Stelle auf dem Plan.
„Da wachsen doch die Gänseblümchen!“, widersprach die erste Hummel, „die haben viel zu kurze Stiele...“
„Die wachsen dort – das wusste ich gar nicht...“ wunderte sich die andere.
„Ihr habt hier Gänseblümchen? Aber die wachsen doch überall!“, staunte Floritzl.
Beide Hummeln wandten sich gleichzeitig um und bedachten den Elf mit einem dermaßen eisig durchbohrenden Blick, dass der zurückwich, sich auf die Zunge biss und sich schwor, nie mehr nichts mehr zu sagen. Jedenfalls nicht so bald.
„NOCH treten sie häufig auf, ja“, belehrte ihn die ältere Hummel schließlich. „NOCH! Aber wenn die Blumenpflückerei so verantwortungslos und unkontrolliert weitergeht, wird das bald anders sein. Deshalb haben wir auch das Gänseblümchen in unserer Sammlung...“
Floritzl nickte stumm und zupfte a Saum seines Hemdes herum.
„Eigentlich wollte ich ja eine besondere Blume für Milvola“, wandte Lumiggl schüchtern ein, „und da die Gänseblümchen ja im Moment noch eher gewöhnlich sind...“
„Im Moment, du sagst es“, stimmte die Hummel zu, „nun gut, in Herzensdingen... ach ja, da ist eine Stelle – genau das Richtige“, sie wandte sich ihrer Kollegin zu, „oder gibt es da auch irgendwelche Einwendungen?“, herrschte sie sie an.
„Nicht dass ich wüsste“, meinte die.
„Wie beruhigend“, spöttelte die ältere Hummel. „Dann können Sie unsere Gäste ja sicher auch auf dem kürzesten Weg hinbringen. Und von euch“, wandte sie sich an die drei Freunde, „darf ich mich verabschieden. Bitte zu beachten, dass den Anweisungen meiner Kollegin strikt Folge zu leisten ist. Für Rückfragen steht sie natürlich jederzeit zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen.“
Sie nickte noch kurz allen zu und flog dann schwankend davon.
„Ich glaube, die Verwaltung wird langsam zuviel für sie“, murmelte die zurückgebliebene Hummel, während sie ihrer Kollegin nachsah. „Sie ist schon seit Jahren hier. Früher war sie eine echte Konifere, äh, Koryphäe – niemand konnte ihr eine Margerite für eine Kamille vormachen. Aber die Zeit ging eben auch an ihr nicht spurlos vorüber. Allmählich sollte sie sich in den Innendienst zurückziehen, um unser Blumenalphabet neu zu erfassen oder so.“
Sie schüttelte bedauernd den Kopf. Dann aber besann sie sich auf ihre Pflicht und wandte sich an die drei Freunde und die Spinne: „Bitte folgt mir.“
Sie kamen schließlich an den Rand der Wiese zu einer Stelle, wo üppige Blumen in Rosa und Weiß blühten.
„Wozu braucht ihr sie denn?“, fragte die Hummel.
„Für einen Teppich – äh, oder besser für das Symbol eines Teppichs“, erläuterte Floritzl.
„Sozusagen ein kleiner Teppich als Symbol für einen großen!“, mischte sich Tilly schnell ein.
„Ein symbolischer Teppich“, beeilte sich auch Lumiggl zu versichern, „mit einem Herz drauf.“
„Einem Herz?“, wunderte sich die Hummel.
„Nur symbolisch!“ versicherte Tilly.
Die Spinne zog es vor, nichts zu sagen.
„Es ist für den Geburtstag seiner Liebsten“, wechselte Floritzl die Taktik und zeigte auf Lumiggl, „ein Symbol seiner Liebe.“
Damit konnte die Hummel weitaus eher etwas anfangen.
„Ah, für den Geburtstag der Liebsten!“, rief sie begeistert. „Ich verstehe, ich verstehe. Das ist ja so romantisch! Als ob ich’s gewusst hätte. Dann sind das hier auf jeden Fall die passenden Farben. Frauen mit Geschmack lieben Sträuße in Pastellfarben, die Ton in Ton harmonieren. Das wird sicher ganz entzückend.“
Dann wandte sie sich direkt an Lumiggl: „Du bist also letzten Endes der Urheber und trägst also die Verantwortung. Ich gestatte dir, fünfzehn der voll erblühten zu nehmen. Aber keine Knospen! Ich muss Dich darauf hinweisen, dass eine Zuwiderhandlung eine schwere Strafe in Form von Sozialarbeit bei der Mistkäferbrigade zur Folge hat, deren Dauer sich nach der Höhe des Verstoßes richtet. Dein Name und Deine Adresse bitte?“
Lumiggl stotterte verdattert die gewünschten Informationen und die Hummel notierte eifrig seine Angaben. Dann kritzelte sich noch etwas auf ein kleines Blättchen, von denen sie etliche bei sich trug.
„Hier, das ist dann die Erlaubnis über fünfzehn Blüten und angemessene Beipflückung von Grünzeug. Nur für den Fall, dass ihr von einer Kollegin kontrolliert werden solltet. Damit sind die Formalien erledigt, und ich darf noch einmal an die strikte Einhaltung aller Auflagen erinnern. Ich wünsche noch einen schönen Tag und gutes Gelingen.“ Die Hummel nickte und flog davon.
„Puh“, atmete Lumiggl auf. Bei all diesen Anweisungen war ihm ganz schwindelig geworden. Tilly aber begutachtete bereits mit Feuereifer die Blumen. Da ihr niemand – nicht mal die Spinne – absprach, dass sie meiste Ahnung von Blumen hatte, begaben sich Elf und Wombling brav zu den von Tilly bezeichneten Blüten und brachen sie so weit unten ab wie möglich. Lumiggl zählte außerdem sorgfältig mit. Er hatte nur eine verschwommene Vorstellung davon, was die Mistkäferbrigade war, aber die genügte, um sicher zu wissen, dass er auf keinen Fall mit der Brigade zu tun haben wollte. Die Spinne saß derweil im Haar des Moosmädchens und schaute zu.
„So, und die Blumen bringen wir jetzt in den Schatten an den Rand“, entschied Tilly, als die fünfzehnte Blüte ausgewählt und gepflückt war. „Jetzt kommt unser Spinnchen zum Zuge.“
Spinnchen? So klein war sie nun wirklich nicht, widersprach die Spinne ganz für sich.
Ganz behutsam wurden die Blumen in den Schatten getragen.
„Schön, gell?“, schwärmte Tilly, „Und jetzt noch Gräser, Blätter, Farne, Moose.“ Und alle ihre anderen Lieblinge. „Damit es auch nach was aussieht.“
Sie blieb bei den Blüten und bewachte sie, sortierte, was ihr Floritzl und Lumiggl brachten, auf verschiedene Haufen, sann vor sich hin und verkündete schließlich: „Das langt, langt lang. Ihr könnt aufhören.“
„Aaah, danke, ich bin schon ganz geschafft.“
„Reicht es auch wirklich? Nicht dass ich dir nicht glaube, aber der Teppich ist für Milvola, und je später es wird, desto mehr muss er hermachen.“
„Aber ja, aber ja, aber ja, nur keine Bange, lass mich nur machen.“
Die Spinne kletterte in das erste Stockwerk des Baumes, ließ sich wieder herabfallen und spann so die ersten Fäden, webte das Grundgerüst des zukünftigen, sozusagen symbolischen Teppichs. Als die Spinne so weit war, reichte ihr Tilly Blätter, Blüten und andere Pflanzenteie hinauf. Kein Wort fiel zwischen den beiden, nur ab und zu ein fragender Blick, eine Falte auf Tillys Stirn, ein zustimmendes Nicken oder auch nicht. Sie verstanden sich, wussten, was zu tun war, und langsam nahm der Teppich Gestalt an – ein grünbuntes Meisterwerk, von schimmernden Seidenfäden zusammengehalten und natürlich mit einem Herz in der Mitte.
„Soll ich ein wenig Flöte dazu spielen?“, schlug Floritzl vor, aber Tilly bedeutete ihm, dass das nur stören würde. Na dann eben nicht! Er zuckte mit den Achseln und ließ seine Flöte im Gürtel stecken. Wen hätte seine Musik je gestört! Ganz schön zickig, diese Floristen.
Und endlich war es so weit: Die Spinne kletterte vom Baum herunter, setzte sich auf Tillys Schulter und prüfte – mit ebenso schief gelegtem Kopf wie das Moosweibchen – das gemeinsame Werk. Anscheinend war es zu beider Wohlgefallen geraten, und so kletterte sie um den Teppich herum und löste die Haltefäden. Tilly nahm den Teppich in Empfang und breitete ihn vor Floritzl und Lumiggl aus: „Na?“
„Der ist ja wunderschön!“, rief Lumiggl begeistert.
„Ja, ja, er ist uns beiden, glaube ich, ganz gut gelungen.“ Tilly errötete vor Freude und die Spinne kratzte sich geschmeichelt am Kopf.
„Gut gelungen? Das ist großartig, das ist...“
„Aber das Beste habt ihr ja noch gar nicht gesehen.“
„Das Beste?“
„Ja, das Beste. Nur noch ein bisschen Geduld. Armer Lumiggl! Ja, ja, ich weiß, du möchtest jetzt nix wie los, aber warte nur noch... da, seht ihr?“
„Was?“
„Da! Der Teppich.“
„Das gibt's doch gar nicht.“
„Gibt es doch, meine Freunde, und das war meine Überraschung.“
Und wirklich, die war Tilly gelungen: Wie von Zauberhand gehoben schwebte der Teppich einige Handbreit über dem Boden und wiegte sich im Wind.
„Und wie geht das?“
„Ja, das ist Spinnchens Werk. Wenn man ihm gut zuredet und es gerade dazu aufgelegt ist und jemandem wohlgesonnen, wenn Mond und Sonne richtig stehen, das Wetter stimmt und Spinnchen will, dann kann es solche Fäden spinnen, die alles, was man in sie hinein verwebt, so leicht machen wie ein Spinnennetz.“
Floritzl hatte sich unterdessen herangewagt, strich mit seiner Hand unter und über den schwebenden Teppich.
„Kein Trick? Kein doppelter Boden?“, vergewisserte er sich.
„Aber nein, aber nein, was denkst du? Und was noch besser ist: Alles und jeder, der sich auf den Teppich setzt, wird genauso leicht.“
„Das glaub ich nicht.“
„Doch, doch, probier es ruhig mal aus! Setz dich ruhig einmal auf den Teppich.“
„Lass das, Floritzl, du machst ihn nur kaputt!“
„Aber bitte, Freund Lumiggl, bitte, ich lasse dir natürlich den Vortritt. Wie schweben geht, das weiß ich sowieso, wozu hab ich schließlich meine Flügel.“
„Äh... Soll ich wirklich?“
„Ja, ja, mach ruhig.“
„Siehst du, Tilly, er traut sich nicht.“
„Ich trau mich wohl! Aber mach ich auch ganz bestimmt nichts kaputt?“
„Nein, nein.“
Und so hievte sich Lumiggl vorsichtig auf den Teppich, die Hände über den Rand, dann ein Bein nach dem anderen, legte sich erst flach hin, noch skeptisch genug, aber endlich richtete er sich doch auf und setzte sich, schaute in die Runde.
„Schwebt der Teppich noch?“
„Aber sicher.“
„Na, wird es dir nicht schon schlecht in zwei Fuß Höhe?“
„Lass ihn in Ruhe, Floritzl.“
„Das ist ja sagenhaft. Und wie lange hält das?“
„Das kommt darauf an.“
„Und worauf?“
Ein Windstoß fuhr unter den Teppich und wehte ihn höher.
„Was ist jetzt los? Hilfe!“
„Um Gerstenkornswillen. Halt dich fest Lumiggl, Floritzl, du musst den Teppich packen und festhalten. Mach schnell!“
„Jetzt braucht man mich wieder.“
„Schnell, Floritzl, mach schnell, bevor noch ein Windstoß kommt.“
Floritzl flatterte los, dem Teppich und Lumiggl hinterher. Die beiden hatten schon eine beachtliche Höhe erreicht, als er den Teppich zu packen bekam.
„Ha, hab ich dich, du Ausreißer.“
„Floritzl, hilf mir, ich bin nicht schwindelfrei.“
„Keine Bange, bald sind wir wieder unten. Äh, oder auch nicht. Tilly! Ich krieg ihn nicht runter.“
„Oje, oje, oje.“
„Tilly!! Was soll ich jetzt tun?“
Da traf sie der nächste Windstoß und trieb sie noch höher.
„Wenn ihr an einen Baum kommt, musst du einen Ast packen und dich daran festhalten.“
„Das geht nicht, wir sind schon zu hoch. Wir sind schon zu hoch.“
„Oje, oje, oje, was mach ich nur, was mach ich nur.“
„Tilly, sag was, was soll ich tun?“
„Er muss den Wombling retten“, entschied die Spinne.
„Ach, Spinnchen, und die ganze Arbeit umsonst? Aber du hast recht. Floritzl, hörst du, du musst Lumiggl retten., Nimm ihn auf deine Schultern und bring ihn mit herunter.“
„Hast du gehört Lumiggl? Lumiggl?“
„Ja, ich hab es gehört!“
„Komm schon, steig auf meine Schultern, ich bring dich heil nach unten.“
„Nein, nein, nein. Niemals. Das ist mein Geschenk. Ich lasse nicht los.“
„Mach keinen Unfug, Lumiggl, du wirst dir den Hals brechen.“ Floritzl zog sich auf den Teppich hinauf. Hier fand er den Kobold, der sich flach hingelegt hatte und die Hände in den Teppich krallte.
„Tilly, er will nicht loslassen.“
„Aber er muss, er kann sich nicht ewig festhalten! Irgendwann lässt die Wirkung nach! Er wird sich noch den Hals brechen. Lumiggl, mach keine Dummheiten und komm mit Floritzl herunter.“
„Nein, nein, nein.“
Über der Talsenke und ungehindert von irgendwelchen Bäumen frischte der Wind auf und trieb sie immer weiter fort und höher hinauf.
„Hör auf damit, Lumiggl, kapierst du nicht, du musst hier runter. Was hat Milvola von deinem Geschenk, wenn du vorher abstürzt?“ Floritzl zog den Wombling brutal an Kragen und Haaren, was, da Lumiggl massiger und schwerer war als der zierliche Elf, praktisch keine Wirkung hatte. „Nimm endlich Vernunft an, zum Gerstenkorn.“
„Also gut – aber ich bin nicht schwindelfrei.“
„Lass die Augen zu, und ich bring dich nach unten, wie hoch sind wir eigentlich schon? Oh, oh, lass die Augen zu und bleib, wo du bist.“
„Wieso? Was ist?“
Floritzl hatte einen Blick über den Rand des Teppichs gewagt: Sie waren schon viel zu hoch, selbst für ihn. Und dann noch mit einem Wombling huckepack. Das würde seine Flügel in Fetzen reißen.
„Bleib da. Und mach etwas Platz, ich muss mich festhalten.“
„Was ist denn los?“
„Was los ist? Ich werde dir sagen, was los ist. Du sturer Bock, du wolltest ja unbedingt nicht loslassen. Und das hast du jetzt davon. Wir sind schon viel zu hoch, das ist los. Mach Platz!“
„Und was sollen wir jetzt tun?“
„Festhalten. Abwarten. Hoffen, dass wir irgendwann wieder nach unten kommen. Und dann nicht zu hart landen. Mach endlich Platz!“
Und unten am Rande der Blumenwiese stand Tilly und schaute gebannt dem Blumenteppich hinterher, wie er immer höher stieg und weiter getrieben wurde, immer weiter, bis er schließlich nicht mehr zu sehen war
„Das ist zu hoch, das ist viel zu hoch, das schaffen sie nicht mehr. Oje, oje, oje, und an allem bin ich schuld“, sie raufte sich die Haare und lief im Kreis herum, zertrampelte die Blumen und merkte nichts davon. „Ich bin schuld, ich bin schuld, das ist alles meine Schuld. Nur weil ich sie überraschen wollte mit dem schwebenden Teppich, habe ich den Haltefaden vergessen, nur weil ich zu eingebildet war auf meinen tollen Einfall und auf deine Arbeit, Spinnchen. Spinnchen? Was haben wir nur getan. Das werd ich mir nie verzeihen. Oje, oje, oje, was sollen wir nur tun? Spinnchen, was bin ich doch für ein dummes, eitles, schusseliges Weibchen. Es ist alles meine Schuld, ganz allein.“
Und Spinnchen versuchte sie zu trösten, aber Tilly war untröstlich. Na ja, nicht völlig untröstlich. Aber dazu kommen wir ein andermal.