Fragen Sie Erkül Bwaroo

Zum Abendessen wurden Bwaroo und Lester an einen Tisch geführt, an dem bereits zwei weitere Gäste saßen, augenscheinlich Vater und Tochter.
„Guten Abend“, begrüßte sie der Mann freundlich, ein vornehmer Elf. „Ich bin Baron Pelgar. Und dies ist meine Tochter Eloise.“
Liebenswürdig erwiderten die beiden Freunde den Gruß und stellten sich ebenfalls vor. Das Mädchen murmelte lediglich ein lustloses „’N Abend“ mit einer Miene, als sei allein schon die Tatsache, dass sie sich hierher hatte begeben müssen, eine Zumutung.
„Eloise“, ermahnte ihr Vater sie. „Sei wenigstens höflich.“
Als Antwort knüllte Eloise wütend die Serviette zusammen, die sie sich bereits auf den Schoß gelegt hatte und warf sie mit einer heftigen Bewegung auf den Tisch. „Lass mich doch in Ruh!“, herrschte sie ihren Vater an und stürmte aus dem Saal.
Pelgar zuckte unter ihren Worten zusammen, als hätte sie ihn geschlagen.
„Sie müssen meiner Tochter verzeihen“, wandte er sich mit hochrotem Kopf an Bwaroo und Lester.
„Ein schwieriges Alter“, äußerte letzerer mitfühlend.
„Besonders, wenn man frisch verliebt ist“, fügte Bwaroo hinzu. „L’amour, c’est une chose difficile.“
„Ah, ich hätte wissen müssen, dass dem berühmten Detektiv nichts verborgen bleibt.“ Baron Pelgar neigte zustimmend den Kopf. „Es stimmt. Meine Tochter ist verliebt. Leider in einen Tunichtgut. Einen Glücksritter, der nur hinter ihrem Geld her ist. Ich habe sie mit auf diese Reise genommen, um die beiden zu trennen und Eloise auf andere Gedanken zu bringen. Leider ist es schwieriger, als ich erwartet habe. Das Mädchen hat den Dickschädel ihrer Mutter – wobei ich den starken Willen meiner verstorbenen Frau immer sehr bewundert habe. Nur ...“ Der Elf machte eine hilflose Geste.
„Ja, es kommt immer darauf an, worauf dieser Wille gelenkt ist, n'est ce pas?“, stimmte Bwaroo weise zu.
Pelgar verzog den Mund zu einem wehmütigen Lächeln.

In der Nacht frischte der Wind auf und am nächsten Tag hingen dunkle Wolken tief und bedrohlich über dem Meer. Alles war in ein ungewisses Zwielicht getaucht. Das Schiff schaukelte heftig auf der rauen See. Bwaroo hangelte sich mit etwas Mühe an den überall gespannten Halteseilen zu der Kabine seines Freundes. Der war nicht zum Tee erschienen und nun machte sich der kleine Elf allmählich Sorgen.
Er fand Paul Lester kreidebleich im Bett liegend.
„Mein lieber Lester“, rief er erschrocken, „Ich hole besser den Schiffsarzt!“
„Nein, das wird nicht nötig sein“, ächzte Paul.
Doch da war Bwaroo schon losgestürmt und kehrte nur kurze Zeit später mit dem Arzt im Schlepptau zurück.
„Ah ja“, sagte dieser mit einem Blick auf das inzwischen grünlich verfärbte Gesicht von Paul Lester. „Bei diesem Seegang werden viele krank. Ich denke, Ingwertee wird helfen. Ich lasse gleich eine Kanne voll vorbeischicken.“
„C’est très gentil, Monsieur le Docteur. Das ist sehr freundlich von Ihnen“, versicherte der kleine Elf.
Kurz nachdem der Arzt wieder gegangen war, kam auch wirklich einer der Stewards und brachte eine große Kanne dampfenden Tees. Und während Bwaroo noch darüber sinnierte, wie dieser junge Mann die Kanne unbeschadet über das schwankende Deck hatte tragen können, schenkte er seinem Freund schon einen Becher des Getränks ein. Doch Lester versicherte, im Moment nichts trinken zu können, und bat stattdessen darum, allein gelassen zu werden.

Kaum hatte Bwaroo einen Schritt auf das Deck hinaus getan, als ihm eine Böe auch schon den Hut vom Kopf riss.
„Zut alors“, schimpfte der kleine Elf und setzte noch ein inniges „merde“ dazu. Aber da war nichts zu machen, der Hut flog bereits aufs Meer hinaus und Bwaroo konnte ihm nur noch nachschauen.
Inzwischen hatte es auch noch zu regnen angefangen und der Wind peitschte die Tropfen wie eisige Nadeln gegen das Schiff. Dazu kam die Gischt der immer höher schlagenden Wellen. Schaudernd zog der Elfendetektiv den Kopf ein, schlug den Mantelkragen hoch und schickte sich an, in das Innere des Schiffes zurück zu flüchten. Da bemerkte er einen Mann, der seinen Hut noch fest auf dem Kopf hatte. Verwundert fragte sich Bwaroo, wie er das wohl geschafft hatte. Er stand einige Meter entfernt an der Reling und beugte sich zusammengekrümmt nach vorn, mit beiden Händen auf Mundhöhe. Leider war das Licht zu schlecht, um genaueres zu erkennen, aber zweifellos wollte er rauchen und versuchte nun, die Flamme zu schützen, bis der Tabak Feuer gefangen hatte. Es schien ein schwieriges Unterfangen, aber schließlich richtete der Mann sich wieder auf. Und dann stürzte er über die Reling hinab ins Meer.